Kurzgeschichte: Spiel


Spiel               by MinaViola


Kapitel 1

Sie flog. Sie konnte wirklich fliegen.
Sally wusste nicht, dass sie das wirklich konnte, ohne Rausch.
In diesem Moment raste Sally durch die Luft. Sally erinnerte sich schwummrig an die letzten
Minuten in diesem Zimmer mit diesem bösen, grausamen Mann. Sein verzerrtes, hässliches Gesicht.
Sie konnte sich noch wage an sein Gekrächze erinnern...
Doch der jetzige Augenblick war glasklar.
Sie flog - und würde in ein paar Millisekunden auf den asphaltierten Boden aufschlagen.
Wie kam sie überhaupt in diese Lage?
Sie hatte wohl schon früher an den Tod gedacht, aber nicht an so einen Tod.
Sie hatte es sich immer wieder vorgestellt.
Sie würde sterben, sogar sehr früh, in einem Krankenhaus unter Halogenstrahlern.
Die Ärzte würden versuchen sie zu retten, aber vergebens.
Sally würde einfach sterben.
Vielleicht an einer Überdosis, Herz-, Lungen-, Nierenversagen.
So etwas in der Richtung eben, aber das?!
Ihre Vergangenheit strich noch einmal sachte an ihr vorbei.
Ein dumpfer Aufprall ließ ihren Körper zerbersten.
Dann war alles schwarz, oder doch eher rot...

Kapitel 2

Lächelnd ging John zum Fenster.
Im Vorbeigehen fiel er fast über Sallys Sachen.
Am Fenster angekommen starrte er aus dem zerbrochenem Fenster hinab. Am Boden in einer kleinen dunklen Gasse konnte er Sally sehen. Ihr Körper lag auf dem schmutzigen Untergrund, unnatürlich gekrümmt und blutverschmiert.

Nach einiger Zeit konnte sich John von seinem Opfer abwenden. Er war geschockt, dass er so etwas
tun konnte. Wieso hatte er es gemacht?!

Kurze Zeit war er von Zweifel erfüllt, doch diese wichen der unbändigen Freude. Es lief alles genau so ab, wie er es gewollt hatte. Langsam schritt er durch dir Mietwohnung. Er hat noch massig Zeit. Kein Mensch würde Sally sobald entdecken.
An sich wollte John noch nicht gehen. Er wollte den Moment auskosten. Noch immer war er höchst erregt, fasziniert von seiner Macht, gebannt von Sally.
Stundenlang hätte er hinab aus dem zerbrochenen Fenster schauen und den zertrümmerten Leichnam bewundern können. Doch er wusste, er musste sich allmählichauf den Weg machen.

Locker schmiss er seine Tasche über die Schulter, noch ein kurzes Mal blickte er zurück.
Eigentlich war die Wohnung sehr schön. Die Bewohnerin hatte sich sehr viel Mühe beim Einrichten
gegeben. Die Räume waren recht sauber, die Möbel wiesen Geschmack auf.
John dachte über Sally nach. In ihr war sicherlich eine große Innenausstatterin verloren gegangen.

Dieser lächerliche Gedanke ließ ihn kurz kichern.
Niemals hätte sie es so weit gebracht...

Zügig verließ John die Wohnung und das heruntergekommene Haus. Die Laternen ließen den riesigen
Blockbau monströs und grässlich erscheinen. Sally hatte doch das beste aus ihrer Blockhütte
gemacht.
Auf dem Gehweg angekommen förderte John eine Minifernbedienung aus seiner Hosentasche hervor.
Ein kurzes Drücken auf dem Knopf ließ das Licht in einem schicken Sportwagen aufleuchten.
Lässig ließ er sich hinter das Steuer fallen. Dieser Luxusschlitten war nicht unbedingt sein Lieblingsfortbewegungsmittel, doch hatte er manche besonderen Vorzüge.

Einer war ihm jetzt zum Beispiel sehr gelegen. Sein Wagen schnurrte auf, als er das Gaspedal leicht
antippte. Schnell raste er durch die engen Gassen in diesem Wohnviertel. Das gesamte Viertel war
recht heruntergekommen. Es war das ärmlichste Viertel der gesamten Stadt, dazu auch das dreckigste.
Die Straßen waren gesäumt von stabilen Betonbauten und ließen die Gasse noch beengter erscheinen.
John ekelte sich regelrecht vor diesem Teil der Stadt.

Nur für Sally war er hierher gekommen.

Zügig ließ er diese Gegend hinter sich. Nach ungefähr einer Stunde hatte er sein Ziel erreicht.
Gelassen bog er von der Hauptstraße in ein betuchtes Viertel ab. Kurze Zeit später stellte er seinen
Wagen in einer von Villen und Einfamilienhäusern gesäumten Straße ab und ging zu einer luxuriösen
Villa.
Das Wohnviertel bildete einen starken Kontrast zu dem vorherigen Betonviertel.
Hier indes wucherte die Vegetation. Die Allee war nur so umringt von Kleingärten und Luxuswagen.
Vor einer dieser wunderbaren Villen blieb er stehen, kramte einen Sicherheitsschlüssel aus seiner
Hosentasche und schloss die schwere Tür zu seinem Heim auf.

Eigentlich war das Haus viel zu groß für eine einzige Person. Die kleine Villa beinhaltete 200qm.
Im oberen Stock befanden sich 3 riesige Schlafzimmer, dazu ein wunderbares Badezimmer.
Im unteren Erdgeschoss gab es weitere Wohnräume und ein kleineres zweites Badezimmer.
Im Keller befanden sich John’s Arbeitsräume inkl. einer kleinen Küche und einer bequemen Schlafstätte.
John schritt durch die Haustür und schloss sie ab. Er fühlte sich zufrieden – und glücklich.
Ordentlich hängte er seine Schlüssel an einem Schlüsselbrett im Flur. Wie immer zog er dann seine
Schuhe aus und ging in das angrenzende Wohnzimmer, wo er den Fernseher einschaltete, um wie
üblich etwas durch die Kanäle zu zappen.

John mochte es ordentlich, so konnte er immer alles überblicken und wusste über alles Bescheid.
Er hasste es, wenn irgendetwas nicht so lief, wie er es geplant hatte.
Es war klar, dass John ein Ordnungfanatiker war.
Er war schon immer ordentlich gewesen, seit er sich daran erinnern kann.
Im Kindesalter schon präsentierte er seinen Eltern stolz seine ordentlich aufgeräumte Spielzeugkiste.
Später im Internat kam es schon öfter dazu, dass er Streit mit seinen Zimmergenossen hatte. Nur weil
sie seine akkurat geordneten Bücher, Kleidungsstücke, persönliche Gegenstände und gar die Bettdecke achtlos durchwühlten.
Viele fanden John merkwürdig, sobald sie ihn näher kennen lernten, doch dazu kam es meist erst gar nicht. Von außen konnte man zum Beispiel John’s Ordnungfestisch nicht erkennen. Dass er selbst
versuchte seine Unterwäsche und seine Socken symmetrisch zu tragen, fiel natürlich kaum einem
Normalsterblichen auf.

Schon lange war er nicht mehr so zufrieden gewesen wie heute.
Er beschloss, es sich erstmal gemütlich zu machen und genoss die Zeit auf seinem Wildledersofa.
Nach mehreren Stunden wollte er dann doch schließlich schlafen. Eine gewisse Müdigkeit hatte ihn
schon erfasst, obwohl es erst 3 Uhr morgens war, früh für seine Verhältnisse. Im Normalfall suchte
er sein Bett erst gegen 5 oder 6 Uhr auf. Im Schlafzimmer angekommen, schlüpfte er zunächst aus
seinen Sachen, schnappte sich seinen Laptop und ließ sich auf seinem Bett nieder.

Kapitel 3

Markus stand wie so viele Abende hinter dem kleinen Chinarestaurant. Er war schon relativ lange im
Geschäft, ungefähr 6 oder 7 Jahre. Er konnte sich nicht mehr so genau daran erinnern, wann er damit
angefangen hatte, aber seine ersten Male ließen ihn heute noch immer erschauern. Es war wirklich
nicht schön gewesen. Deswegen versuchte er Neulingen auch immer etwas unter die Arme zu greifen.
Dies hier war wirklich kein einfaches und schönes Geschäft. Aber wenn einem nichts anderes übrig
bleibt...
Diese Nacht war für Markus schon relativ gut gelaufen. Es war eine klare und trockene Nacht,
wunderbare Geschäftsbedingungen.
Trotz seines Alters hatte er reichlich viel an diesem Abend eingenommen. Er war zwar reichlich dürr,
jedoch hatte er seine jungenhaften Züge behalten können. Man konnte sein Alter wirklich schlecht
einschätzen. Sicher würde er beim ungeübten Auge locker für 19 durchgehen, obwohl man ihm seine
25 Jahre nach langer Betrachtung ansehen könnte. Lange, anstrengende Jahre in dieser Branche habenan ihm gezerrt.

In diesem Moment schritt eine vermummte Gestalt durch die Gasse. Wie Fliegen umkreisten seine
jungen Konkurrenten den Neuankömmling. Nun begab auch Markus sich zu dem Unbekannten.
Er musterte den jungen Mann. Er schien nicht sehr begeistert von seinen Bewunderern zu sein
und versuchte sich von der Meute zu distanzieren. Markus schien den Neuankömmling zu
durchschauen.
Keinerlei Erfahrung, distanziert, schüchtern, unerfahren, jedoch an zwielichten Geschäften
interessiert.

Die Meute schlich wieder zurück auf ihren Platz, enttäuscht von dieser Abfuhr.

Schließlich blieb Markus an einer der nächstgelegenen Laternen stehen und positionierte sich. Als der
Neuling nun an ihm vorbeischlenderte raunte Markus ihm zu. ‚Na, enttäuscht von dem, was du hier
vorfindest? Hast du dir darunter etwas anderes vorgestellt?’

Der Mann blieb stehen und blickte auf.
Der Neuling war wirklich hübsch, stellte Markus fest. Markantes Gesicht, männlicher Körperbau,
schlank. Genau so etwas, was Markus persönlich bevorzugte. Solche Typen kamen aber im Normalfall nicht in seine Gasse.
‚Nein, nicht wirklich…hmm…irgendwie..hatte ich es mir ein bisschen anders vorgestellt. Ein bisschen mehr…Diskretion, oder so etwas in der Art’, antwortete ihm der Schönling ihm selbstbewusst. Markus war verwirrt von seiner plötzlichen Selbstsicherheit. ‚Ich denke, dann bist du hier eh falsch.
'Da wirst du noch lange suchen müssen, bist du das Richtige findest’, bemerkte Markus nun mit einemLächeln.
Irgendwie fühlte er sich angezogen von dem Fremdling, verspürte aber auch eine leichte Nervosität.
‚Vielleicht habe ich es doch schon gefunden’, antwortete der Jüngling mit einem charmanten Lächeln, ließ seine Hand in seine Manteltasche gleiten, zog ein kleines Stück Papier heraus und drückte es in Markus’ Hand.
‚Es bleibt aber hoffentlich privat und nicht geschäftlich’, meinte der Fremdling verschmitzt und zog
von dannen. Markus schaute ihm noch eine Zeit hinterher, dann schaute er auf das Blättchen.
Eine Telefonnummer.
Es war wirklich eine schöne Nacht.

 Kapitel 3 1/2

 
23. April
Der heutige Tag war sehr erfolgreich, würde ich behaupten. Doch war es fast schon zu einfach.
Heute ist es das erste Mal geschehen.
Die erste Person ist tot.
Es war so einfach. Ich habe es mir nicht so leicht vorgestellt.
Es war irgendwie keine große Anstrengung von Nöten, wie ich vorher gedacht hatte.
Schon fast enttäuschend. Einfach zu leicht.
Ich hatte wirklich mehr erwartet. Auf jeden Fall mehr geistige Gegenwehr. Aber rein gar nichts in
dieser Richtung ist geschehen.
Sie ließ sich so einfach beeinflussen. Vielleicht habe ich mir einfach die falsche Person ausgesucht.
Sie war vielleicht schon zu labil.
Naja, jetzt ist es eh vorbei. Das nächste Mal wird besser.
Ansich war es ja doch schon sehr elektrisierend. Zu sehen wie sich jemand aus dem Fenster stößt.
Pure Angst...
Es war eindeutig etwas Neues. Ähnliches habe ich noch nie erlebt.
Aber doch zu einfach. Ich hatte mir wirklich weitaus mehr erwartet. Schon bei unsere ersten Begegnung ist sie mir um den Hals gefallen, als wäre ich das wichtigste in ihrem Leben. Da hätte ich mireigentlich schon denken können, wie einfach es werden würde.
Menschen sind so einfach gestrickt. Schon merkwürdig. Vertrauen jedem und allem und denken nie
an Gefahren. Wirklich - Hoffnungslos verloren.
Nagut, sicher war sie ein besonderer Fall, so gutgläubig sind wirklich nicht alle Menschen.
Wenn alles so einfach wird wie bei ihr, könnte es schlussendlich doch langweilig werden.
Ach, was mach ich mir darüber schon wieder Gedanken?!
Man wird schon sehen, wie es weitergeht.
Das nächste Mal wird sicher besser.
Ich freue mich auf Markus. Wie ich bis jetzt weiß ist er kein Dorgensüchtling.
Eigentlich wüsste ich ja doch schon gerne was Sally‘s Gehirn in ihren letzten Minuten vor sich hin
gedacht hat. Was hat sie bloß in dem Moment gesehen?
Es muss sicher grausam gewesen sein. Warum sollte man sonst schreiend vor mir fliehen.
So schlimm war ich sicher nicht. Glaub ich zumindest...
Ich muss mir noch was Schönes für Markus einfallen lassen. Ich glaube, wir werden uns in einem
Hotel treffen. Es wird sicher eine schöne Nacht. Mal schauen, wie er sich benimmt. Wie stark sein Charakter ist, wie lange es bei ihm dauern wird,
bis er schlussendlich auch....

Kapitel 4

Markus war aufgeregt, wie ein Junge, der sich auf seinen Geburtstag freut. Er erhoffte sich viel von
der kommenden Nacht. Zwar wusste er nicht, was wirklich kommen würde, aber bei so einer Verabredung konnte nur Gutes passieren. Nach ein paar Tagen hatte Markus bei dem mysteriösen Mannangerufen.
Das Resultat dieses Gespräches war ein Date. Ein Date in einem Luxushotel. Versprochen
wurde ihm ein exquisites Dinner und danach vielleicht würde mehr daraus werden.
Nun setzte sich Markus in ein bestelltes Taxi.
In einem kleinen Handspiegel betrachtete er sein Spiegelbild.

Er hatte sich stundenlang auf die Verabredung vorbereitet, so kam es ihm zumindest vor.
Er hatte sich nach einigen Anproben endlich für ein Outfit entschieden: Eine schlichte schwarze Hose,ein einfaches aber nobless bordeaux-rotes Hemd, dazu ein Jackett, passend in schwarz. Durch seinen zwielichten Job war er nicht gerade arm. Er verdiente recht gut an einem Abend, was man nun an seiner schicken Kleidung erkennen konnte.
Das Taxi hielt an; er bezahlte den Fahrer und stieg vor dem Nobelhotel aus. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass er 15 Minuten zu früh da war.
Nervös stellte er sich vor die Tür. Er malte sich aus, was ihn erwarten würde. Wie er den Fremden einschätzte, war er galant, charmant und selbstbewusst. Er freute sich sehr. Mit einem so attraktiven Mann hatte er schon lange nicht mehr zutun gehabt.
Ein Motorengeräusch ließ ihn aus seinen Schwärmereien aufschrecken. Ein schwarzer Jaguar bog in
die Einfahrt des Hotels ein, parkte und die Fahrertüre öffnete sich. Heraus stieg seine Verabredung.
Er trug einen schwarzen schlichten Anzug. Markus Herz raste, er war so nervös. ,Hallo, schön
dass das geklappt hat. Ach ja, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist John.’ begrüßteder Neuankömmling Markus mit einem Lächeln.
,Wollen wir dann mal?’ fragte John.
Markus fing sich wieder und bejahte mit großer Freude.
Zusammen betraten sie das 5-Sterne-Hotel.

Kapitel 5

Jane betrat zögerlich den Raum.
Vor ungefähr einer halben Stunde wurde sie von ihren Kollegen gerufen.
,Notfall’ wurde ihr gesagt.
Um 4 Uhr morgens war sie endlich angekommen. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen.
Ungeschickt, wie immer, stolperte sie durch die Türe des Hotelzimmers und stürmte direkt wieder hinaus.
Nach einem 10-minütigen Aufenthalt auf dem WC des Hotelpersonals schlich sie zurück, gewappnet für das Kommende. Ihre Kollegen hatten sich schon im Zimmer versammelt. Eigentlich war das Zimmer ein typisches Hotelzimmer, wäre da nicht die riesige Blutlache auf dem Teppich, von den Überresten des Menschens auf dem Bett ganz zu schweigen.
Jane wurde schon wieder mulmig. Sie war noch nicht lange bei der Polizei. Solche Fälle waren nicht üblich. Ganz und gar nicht. Auf jeden Fall nicht für so Neulinge, wie sie.
,Was machst du hier?’ brüllte eine Männerstimme in ihr Ohr.
,Ich wurde angerufen...Notfall’ ,Ahja...verschwinde hier, du hast hier nichts zu suchen. Und kotz hier nicht alles voll!’
Wieder stürmte die junge Polizeipraktikantin aufs WC. Nach weiteren 20 Minuten machte sie
sich wieder auf den Heimweg.
Merkwürdig, dachte sie. Nach einer weiteren halben Stunde war sie Zuhause angekommen. Sie fühlte
sich noch immer verwirrt, obwohl sie wieder in ihrer 2-Zimmer-Wohnung war.
Wer hatte sie denn nur angerufen?

Kapitel 6

Gehetzt setzte John sich hinters Lenkrad. Es hatte nicht so funktioniert, wie er es sich gedacht hatte.
Es war einfach ein schönes Spiel gewesen. Er hatte Markus fast so weit, doch dann....
Der Gedanke an diese Störung ließ rasende Wut aufflammen. Er musste alles selber machen!!!! So
etwas Demütigendes!!! Ganze 20 Minuten saß er hinter dem Lenkrad, versunken in seinen Gedanken.
Das nächste Mal würde wieder so laufen, wie er es wollte. Er würde alles genau planen.
Es wird perfekt, dachte er sich schließlich und startete den Wagen.

Kapitel 7

Sie las sich alles nocheinmal genauer durch.
Als Praktikantin hatte Jane nicht wirklich viel zu tun.
Das einzige, was sie machen durfte, war Ordner und Akten zu sortieren. Immer wieder las sie sich
interessante Fälle, die sie in die Finger bekam, durch. Zu gerne würde sie mal einen Fall aufdecken,
selbst schnüffeln und den Täter erwischen.
Jane träumte schon Ewigkeiten davon, als Kommissarin tätig zu sein. Mit einem Seufzer legte sie die Akte wieder zurück auf den Haufen. Ein starker Kaffee würde ihre Sinne wieder schärfen. Sie schlich
um ihren Tisch herum. Ziel: Kaffeemaschine. Ausnahmsweise war noch etwas Kaffee in der Dose.
Normalerweise herrschte hier chronischer Kaffeemangel. Gekonnt füllte sie Wasser in die Maschine
und schaltete sie ein. Nach kurzer Zeit tröpfelte die begehrte heiße Flüssigkeit in die Kanne.
10 Minuten Zeit für einen Toilettenbesuch. Sie wusch sich gerade die Hände, als sie ein komisches
knirschendes Geräusch vernahm. Schnell eilte sie in das Büro. Irgendwie hatte sich die Kaffeemaschine verselbständigt. Zumindest war der Kaffee fertig, aber nicht wirklich in der Kanne, stellte Jane fest. Das gesamte Gebräu floss über den Boden. Hastig holte Jane einen Lappen, um den Kaffee aufzuwischen. Kein Kaffee für heute also.
Einen Kaffeefleck auf der Bluse reicher, schlurfte Jane bedrückt zurück an ihren Arbeitsplatz. Eine Pause war ihr anscheinend nicht gegönnt.
Heute war eindeutig ihr Pechtag.
Noch während der Heimfahrt war Jane in tiefen Gedanken versunken. Manche Fälle, die sie heute
sortiert hatte, hatten sich irgendwie in ihr Gehirn eingeprägt. Zum Beispiel waren da drei Morde - unaufgedeckt.
Eine Sally wurde angeblich aus einem Hochhausfenster gestoßen. Sonst war eigentlich
nichts von ihr bekannt. Keine Familie, gar nichts. Dann dieser aufgeschlitzte Mann, dieser Stricher.
Keine Vergangenheit. Und dann war da noch ein alter Mann, Säufer, der Leberzirrhose nach. Er wurde angeblich mit Strom geschockt....oder so. Jane konnte sich nicht mehr wirklich erinnern, doch sie gingen ihr nicht mehr aus den Gedanken. Irgendetwas war merkwürdig. Irgendwie gehörten alle Fällezusammen.....

Daheim nahm Jane ein ausgiebiges Bad. Sie wollte abends noch etwas weg. Schließlich war ja Wochenende.

Ein wenig feiern mit einer Freundin oder so etwas in der Art. Sie brauchte ein wenig Abwechslung
und Ablenkung.

Kapitel 8

Jane machte sich auf zum Café. Speed-Dating war nicht geplant. Brummelnd wurde sie von ihrer
Freundin mitgeschleift. Sie hatte sich eigentlich so etwas wie einen schönen Abend in der Disco oder
so vorgestellt, aber Speed-Dating....musste das sein?
Als sie das Cafe betraten wehte Kaffeegeruch in die Nase.
Das Café war nicht gerade groß. Es gab eine kleine Theke und ungefähr 15 Tische, die in Form eines
Kreises aufgestellt waren. ,Das wird lustig, glaub`s mir!’ flüsterte die Freundin ihr ins Ohr.
Alle Anwesenden waren sicher 20 Jahre älter als sie selbst. Na super.
Es ging los.

Pling!
Ein Mann setzte sich ihr gegenüber. Jane schätzte ihn auf ca. 40 Jahre...alt....und
schleimig. Es versprach ein langweiliger Abend zu werden.


Pling!
Jane schreckte auf. War es endlich vorbei? Nein - Männertausch!
Stühle wurden verschoben. Ihre Bekanntschaften waren bisher Langeweile pur. Alte Säcke, schleimig, wie Nacktschnecken.
DieserAbend war einfach nur sinnlos.... Weiter geht die Qual, dachte sich Jane.
Der Nächste nahm ihr gegenüber Platz. Es war ein junger und absolut gutaussehender Mann. Jane
war verwundert.
,Hi, ich bin John, wer bist du?’
Der Abend versprach vielleicht doch noch besser zu werden, als gedacht.

Kapitel 9

John schloss die Türe der Villa auf. Jane war beeindruckt von diesem riesigen Gebäude. Die Beiden
hatten sich bei dem Gespräch im Café sehr gut unterhalten. Jane war hin und weg. So etwas ist ihr
noch nie untergekommen. Als dieser Gentleman sie dann zum Kaffee zu sich nachhause eingeladen
hat, willigte sie schnellstens ein.
Bedenken kamen ihr bei diesem charmanten Mann natürlich nicht.

Als John am Vortag dieser Flyer in die Hände gefallen war, hatte er sich noch nicht vorstellen können, wie erfolgreich er sein würde. Eigentlich hatte er sich so eine Chance nicht erträumen lassen. Dennoch, sein Plan für heute war anders. Auch er als Mann hatte gewisse Bedürfnisse.
Da kam ihm Jane ganz recht. Ersteinmal etwas Spaß und dann wollte er sie gnadenlos abservieren. Sie in Sicherheit wiegen und sie dann, aus ihrer rosaroten Wolke stoßen. Alles sollte kein Problem sein.

Jane wusste genau, wie es ablaufen würde: Tässchen Kaffee, kurzes Pläuschchen, Stille und so weiter
und so fort.
Bereitwillig ließ sie sich durch das riesige Haus führen und schließlich auch in Johns Schlafzimmer.

Kapitel 10

Es war 11.30 Uhr als Jane endlich erwachte. Blinzelnd taumelte sie zum angrenzenden Bad, um sich
zu duschen. Als sie wieder ins Schlafgemach trat, konnte sie ihren Bettgefährten nirgends erblicken.
Doch auf ihrem Kopfkissen lag ein kleiner Zettel mit einer Nachricht von ihm. Seufzend ließ sie die
Notiz wieder sinken. Der Mann war einfach hinreißend und sie hatte eh nichts besseres an diesem
Samstag zu tun, als hier auf ihn in diesem Traumhaus zu warten.
Müde trottete sie hinunter ins Erdgeschoss. Ihr Magenknurren veranlasste sie, den Kühlschrank nach
etwas Essbarem zu durchsuchen. Ein Brötchen mit Marmelade ließ sie wieder zu Kräften kommen.
Jane schlich wieder hoch ins Bett, eine bessere Möglichkeit die Zeit tot zu schlagen, als zu schlafen,
wusste sie im Moment nicht.
2 Stunden verbrachte sie mit Dösen, dann konnte sie einfach nicht mehr liegen bleiben.
Sie richtete sich auf und begutachtete das Zimmer. Es war schlicht, jedoch elegant und stilvoll ausgestattet.
Ein Doppelbett, eine Kommode, zwei kleine Tischchen und ein größerer. Auf diesem lag
ein Laptop, angeschlossen, bereit zum Hochfahren. Jane dachte gar nicht erst darüber nach, dass sie in die Privatssphäre ihres Liebhabers eindringen würde. Der Lapi fuhr schnell hoch. Sorglos rief sie
ihre E-Mails ab. Keine neuen Nachrichten. Mit High Speed surfte sie im Internet, jedoch auch das
langweilte sie nach kürzester Zeit. Sie wollte gerade den PC runterfahren, als ihr einige Dateien mit
dem Namen ,Polizei‘ in die Augen fielen.
Nichtsahnend öffnete sie die Dokumente und erstarrte.


Polizei
Sally Peeper
Alter: 19 Jahre
Geburtsdatum: 22. November 1990
Größe: 1,68 m
Gewicht: 50 kg
Hautfarbe: weiß
Augenfarbe: blau-grau
Haarfarbe: blond
Beruf: keiner
Todesursache: Sprung aus der 8. Etage,
gestorben an inneren und äußerlichen Verletzungen,
verursacht durch den Aufprall


Markus Laurent
Alter: 25 Jahre
Geburtsdatum: 07. August 1984
Größe: 1,86 m
Gewicht: 78 kg
Hautfarbe: weiß
Augenfarbe: braun
Haarfarbe: braun
Beruf: Prostituierter
Todesursache: Stich- und Schnittverletzungen


Dieser Mann.....dieser....
Es konnte nicht wahr sein. Es durfte einfach nicht wahr sein. Sie war schockiert. Immer falle ich auf
die falschen Männer rein, dachte sich Jane. Sie packte ihre Sachen und verließ fluchtartig die Villa.


Kapitel 11

Als John nachhause kam, fand er Jane in seinem Haus nicht vor. Er war verwundert über ihre Abwesenheit.
Eigentlich hatte er gedacht, sie würde auf ihn warten. Sie hatte zumindest so ausgesehen, als
wäre sie ihm gänzlich verfallen. Er schaute noch einmal in allen Räumen nach.
Möglicherweise hatte sie sich hier nur irgendwo verlaufen. Oben in seinem Schlafzimmer war aber auch niemand.
Naja, vielleicht hatte sie etwas anderes vor. Ihm war es egal. Er hatte sich nicht auf sie festgefahren. So interessant war sie nun auch nicht gewesen.
Im Schlafzimmer angekommen, erregte der aufgeklappte Laptop auf seinem Tisch jedoch seine Aufmerksamkeit.
Er konnte sich nicht daran erinnern, ihn da stehen gelassen zu haben. Verwundert ging
er zum Tisch und ließ sich nieder. Hochgefahren war der PC auch noch. Ein ungutes Gefühl beschlich
John. Sie war doch hoffentlich nicht an dem Laptop...

Mit einer Hand fasste er sich an den Kopf. Wie konnte er nur so dumm sein, seinen Computer im
Keller hatte er verschlüsselt und alle Tricks benutzt, um diese Daten zu sichern und dieser Laptop
besaß noch nichteinmal ein Passwort. Auf dem Desktop lagen sogar wichtige Dateien.
Dateien, die ihn eindeutig in Schwierigkeiten bringen könnten. Verdammt! Hatte Jane nicht auch noch erzählt, sie würde bei der Polizei arbeiten?
Aber er fand das ja noch interessant. Johns Gehirn fing anzu routieren.
Sie hat die Dateien gesehen und ihn verpfiffen. Verdammt! Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Die Polizei könnte jeden Moment vor der Tür stehen.
Er musste sich beeilen. Schnell reagieren. John war für kurze Zeit aufgeschmissen, doch er fasste sich
schnell.
Zum Glück hatte er einen Notfallplan.

Schnell packte er ein paar Anziehsachen in eine Reisetasche. Danach ging er in den Keller. Dort
nahm er einen dicken Umschlag aus einem kleinen unscheinbaren Schränkchen. Dann nahm er noch
einen kleinen Karton mit. Dieser war gefüllt mit elektronischen Gerätschaften. An der Haustür angekommen, nahm er noch ein paar Schlüssel mit, die am Schlüsselbrett hingen.

Sein Notfallplan war perfekt.
Er brauchte sich keinerlei Sorgen mehr zu machen.
Stolz verließ er sein Haus, schloss artig die Türe
ab und schwang sich anschließend in einen seiner Wagen.
Diesmal war es ein kleineres Fahrzeug. Erdurfte nicht so auffallen. Er bog um die Ecke und verließ seinen Hauptsitz für immer.
Er war etwas bekümmert...er hatte dieses Haus gemocht....und bald würde er es zerstören.

Kapitel 12

2 Vans mit kompletter Polizeibesatzung hatten sich vor der Villa postiert.
Bereit das Haus zu stürmen.
Sie warteten nur noch auf das Signal.

Jane war nervös. Dank ihr könnte ein Serientäter gefasst werden. Sie durfte bei der Aktion dabei sein.
Sie allein hatte den Fall gelöst. Auch wenn es nur ein Zufall gewesen war. Besser so, als gar nicht,
dachte sich Jane.
Eine lautes Krachen ließ sie aus ihren Gedanken hochfahren. Ein Mann schrie auf. Jane wurde es plötzlich ganz warm und sie wurde von ihrem Kollegen, der neben ihr stand, hinunter auf den Boden gerissen.

Ein Feuerschwall fegte über ihren Kopf hinweg. Menschen schrien.
Überall Verwirrung! Alles war verwüstet.

Jane wusste nicht, was sie machen sollte, aber sie war sich sicher, dass John nicht mehr in diesem
Haus war.

Kapitel 13

Mit Genugtuung lauschte John dem Radiosprecher:
,.....Bei einem Polizei-Einsatz kam es unerwartet zu einer Explosion.
Dabei kamen 5 Menschen ums Leben.‘

Es hatte alles mal wieder so geklappt, wie er es wollte. Er hatte die Explosion seines Hauses selber
verursacht. Alles zerstört, was auf ihn hinweisen könnte. Diesmal hatte er keine Fehler gemacht.
Über eine Fernsteuerung hatte er sein Haus zum Explodieren gabracht. Er wusste immer, dass er irgendwann hätte auffliegen können.
Deshalb hatte er einen Sprengkopf an seine Gasleitungen angebracht, die er über seinen PC explodieren lassen konnte.

Sicherheitshalber!

In dem Umschlag waren gefälschte Papiere und Geld eingepackt.

Halt für den Notfall!

Schließlich wollte er bereit sein - Für den Fall der Fälle.
Jetzt saß er gemütlich im Auto auf dem Weg zu seinen Zweitwohnsitz. Alles war bereit. Alles konnte
so weiter gehen, wie bisher. Aber diesmal würde er mit seinem Spiel aufhören....


.....Fürs erste zumindest!